Entwicklung29. November 20248 min LesezeitChristian Pöser

Meine Erfahrungen mit KI-gestützter Entwicklung: Vibe Coding in der Praxis

Ein ehrlicher Erfahrungsbericht über die letzten Monate mit KI-Tools: Von einer Enterprise-ERP-Lösung in 14 Tagen bis zu den Fallstricken im zu menschlichen Umgang mit KI.

Die Revolution in meinem Entwickler-Alltag

In den letzten Monaten habe ich intensiv mit KI-gestützten Entwicklungstools gearbeitet – und die Ergebnisse sind beeindruckend, aber auch überraschend differenziert. Dieser Artikel ist ein ehrlicher Blick auf meine Erfahrungen mit dem, was viele "Vibe Coding" nennen.

Der Effizienz-Quantensprung: Die ERP-Lösung

Mein bisher beeindruckendstes Projekt: Eine vollständige Enterprise-ERP-Lösung in nur 14 Tagen. Das klingt unrealistisch? Ist es aber nicht – mit der richtigen Herangehensweise an KI-Tools.

Was macht die Lösung "Enterprise-Grade"?

  • Vollständiges Bestandsmanagement mit Echtzeit-Tracking
  • Integriertes Rechnungs- und Buchhaltungssystem
  • Mehrbenutzerverwaltung mit Rollen und Berechtigungen
  • API-Integration für externe Systeme
  • Reporting und Analytics Dashboard
  • Automatisierte Workflows und Benachrichtigungen

Die KI half mir nicht nur beim Code schreiben, sondern auch bei Architekturentscheidungen, Datenbankdesign und der Implementierung von Best Practices. Was früher Wochen oder Monate gedauert hätte, wurde in zwei Wochen Realität.

Das Paradoxon: Die 10-Tage-Website

Interessanterweise benötigte ich für kleinere Webseitenprojekte trotz KI-Unterstützung etwa 10 Tage. Warum? Das ist eine der wichtigsten Lektionen, die ich gelernt habe:

Die Komplexität liegt nicht immer im Code, sondern oft in den Details, der Abstimmung und der Perfektion des Designs.

Bei einer Website sind es die unzähligen kleinen Entscheidungen – Farbabstimmungen, Responsive-Breakpoints, Mikrointeraktionen, Content-Struktur – die Zeit kosten. Die KI kann Code generieren, aber die kreative Vision und das Auge fürs Detail bleiben menschlich.

Der C-Treiber: Performance meets KI

Ein besonders technisches Projekt war die Entwicklung eines Treibers in C für automatisches Barcode-Ersetzen mit 200.000 Datensätzen.

Die Herausforderung

Das System musste in Echtzeit Barcodes scannen und anhand einer Excel-Tabelle mit 200.000 Artikelnummern durch alternative Codes ersetzen – mit minimaler Latenz.

Meine Vorgehensweise mit KI

  1. Konzeptphase: Ich beschrieb der KI das Problem und ließ mir verschiedene Ansätze vorschlagen (Hash-Tables, Binary Search Trees, Memory Mapping)
  2. Prototyping: Schnelle Implementierung mehrerer Ansätze zum Vergleich
  3. Optimierung: Die KI half bei der Implementierung von Cache-Strategien und Memory-Management
  4. Testing: Automatisierte Erstellung von Testfällen und Performance-Benchmarks

Das Ergebnis: Ein Treiber, der mit unter 50ms Latenz arbeitet und dabei 200.000 Datensätze effizient durchsucht. Die Entwicklungszeit: 3 Tage statt geschätzte 2 Wochen.

Die Fallstricke: Wenn man KI zu menschlich behandelt

Hier kommt der wichtigste Teil meines Erfahrungsberichts – die Fehler, die ich gemacht habe:

1. Das Höflichkeits-Problem

Am Anfang formulierte ich Anfragen wie an einen menschlichen Kollegen: "Könntest du vielleicht...", "Wenn es nicht zu viel Mühe macht...". Das ist Zeitverschwendung. Die KI braucht keine Höflichkeitsfloskeln.

❌ Ineffizient:

"Könntest du mir bitte helfen, eine Funktion zu schreiben, die... wenn das okay ist?"

✅ Effizient:

"Implementiere eine Funktion zur Binary-Search in C mit folgenden Parametern:..."

2. Zu viel Kontext auf einmal

Ich dachte, ich müsse wie bei einem menschlichen Entwickler das gesamte Projekt erklären. Stattdessen: Präzise, fokussierte Anfragen bringen bessere Ergebnisse.

3. Das Erwartungs-Problem

Manchmal erwartete ich, dass die KI "versteht", was ich eigentlich meine. Funktioniert nicht. Explizite, klare Anweisungen sind der Schlüssel.

4. Blind Copy-Paste

Der größte Fehler: Code blind übernehmen ohne ihn zu verstehen. Die KI ist ein Tool, kein Ersatz für eigenes Verständnis. Jede Zeile Code sollte reviewt und verstanden werden.

Meine optimierte Vorgehensweise

Nach Monaten der Praxis habe ich folgende Methodik entwickelt:

1. Klare Problemdefinition

Bevor ich die KI frage, schreibe ich das Problem präzise auf. Was ist der Input, was der erwartete Output, welche Constraints gibt es?

2. Iteratives Vorgehen

Nicht versuchen, alles auf einmal zu lösen. Kleine, testbare Komponenten entwickeln und dann zusammenfügen.

3. Code-Review als Standard

Jeder von der KI generierte Code wird geprüft auf:

  • Security-Probleme
  • Performance-Bottlenecks
  • Best Practices
  • Verständlichkeit und Wartbarkeit

4. KI als Pair-Programming-Partner

Die beste Metapher: Die KI ist wie ein Junior-Entwickler mit fotografischem Gedächtnis und blitzschneller Tippgeschwindigkeit, aber ohne Erfahrung in Architektur und Business-Logik.

Die Effizienz-Matrix: Was funktioniert wann?

ProjekttypEffizienzgewinnWarum?
Backend/APIs⬆️⬆️⬆️ Sehr hochKlare Spezifikationen, testbar
Datenverarbeitung⬆️⬆️⬆️ Sehr hochAlgorithmen sind gut dokumentiert
CRUD-Anwendungen⬆️⬆️ HochRepetitive Patterns
UI/UX Design⬆️ MittelKreativität & Details brauchen Zeit
Komplexe Business-Logik⬆️ MittelDomänenwissen erforderlich

Fazit: Die Zukunft ist hybrid

Nach Monaten intensiver Arbeit mit KI-Tools ist mein Fazit eindeutig: Die Zukunft der Entwicklung ist hybrid – Mensch und KI, jeder in seiner Stärke.

Was KI exzellent macht:

  • Boilerplate-Code schreiben
  • Bekannte Patterns implementieren
  • Schnelles Prototyping
  • Code-Refactoring
  • Testfälle generieren
  • Dokumentation erstellen

Was Menschen besser können:

  • Architekturentscheidungen treffen
  • Business-Anforderungen verstehen
  • Kreative Lösungen finden
  • Code im Gesamtkontext bewerten
  • Langfristige Wartbarkeit sicherstellen
  • Ethische und Security-Aspekte abwägen

Meine Empfehlungen für Einsteiger

  1. Behandeln Sie KI wie ein Tool, nicht wie einen Kollegen – Keine Höflichkeitsfloskeln, klare Anweisungen
  2. Verstehen Sie jeden Code – Blind Copy-Paste ist gefährlich
  3. Iterieren Sie schnell – Kleine Schritte, schnelles Feedback
  4. Bleiben Sie kritisch – Hinterfragen Sie Vorschläge
  5. Dokumentieren Sie Ihre Learnings – Muster wiederholen sich

💡 Persönlicher Tipp

Die größte Effizienzsteigerung kommt nicht durch blindes Vertrauen in die KI, sondern durch das Wissen, wann und wie man sie richtig einsetzt. Investieren Sie Zeit in das Verstehen der Tool-Grenzen – es zahlt sich exponentiell aus.

Ausblick

Die nächsten Monate werden spannend. Die Tools werden besser, die Integration wird nahtloser. Aber eines wird bleiben: Der Mensch als Architekt, die KI als unermüdlicher Bauarbeiter.

Wenn Sie Fragen zu meinen Erfahrungen haben oder über Ihre eigenen Erlebnisse mit KI-gestützter Entwicklung sprechen möchten, kontaktieren Sie mich gerne.


Tags:KI-EntwicklungVibe CodingErfahrungsberichtBest PracticesERP-Entwicklung

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